Der Polarstern

Von Uwe Bahadir

 

Zu den bekanntesten Sternen am Himmel gehört der Nord bzw. Polarstern.
Selbst blutige Laien der Astronomie wissen: Der Nordstern in jeder klaren Nacht stets am selben Ort zu sehen und weist dem Beobachter die Nordrichtung. Warum das nun so ist, ist leicht einzusehen: Der Nordstern steht nahe an dem Punkt, an dem  die nach Norden verlängerte Erdachse das Himmelsgewölbe „durchstößt“. Dieser Punkt wird als Himmelsnordpol bezeichnet. Um ihn wandern scheinbar infolge der Erdrotation die anderen Sterne in konzentrischen Kreisen.

Blick zum Himmelsnordpol über Nördlingen

Der Nordstern steht in unserer Zeit weniger als ein Grad, weniger also als zwei Vollmonddurchmesser vom Himmelsnordpol entfernt und beschreibt dabei  in knapp 24 Stunden einen winzigen Kreis um den Himmelsnordpol. Daher verändert er für das bloße Auge seine Position kaum und ist von der  Nordhalbkugel in jeder klaren  Nacht zu sehen.

Polaris , wie man ihn auch nennt, ist zwar gut zu sehen, aber nicht besonders auffällig. Er steht am Ende der Deichsel des Kleinen Wagens. Die meisten Sterne des Kleinen Wagens sind recht lichtschwach, weshalb man sie an unserem stets aufgehellten Stadthimmel kaum erkennt. Um den Polarstern zu finden, benutze man daher den Großen Wagen, der bei uns ebenfalls zirkumpolar und daher in jeder klaren Nacht zu sehen und außerdem leicht zu erkennen ist. Verlängert man die Verbindungsstrecke zwischen den beiden hinteren Wagenkastensterne etwa fünfmal  in der Biegerichtung der Deichsel, so trifft man auf unseren „Kameraden“:

Da der Nordstern die Orientierung auf Land , Meer  und am Sternenhimmel ermöglicht, hat er bei allen Völkern der Nordhalbkugel seine Bedeutung als Lotsenstern, insbesondere für die Seefahrt, gehabt. Polaris gibt nicht nur die Nordrichtung an, sondern lässt auch die geografische Breite des Beobachters schnell abschätzen. Denn der Himmelsnordpol  steht jeweils so hoch über dem Nordpunkt am Horizont, wie es der geografischen Breite entspricht. Sieht man den Polarstern senkrecht über dem eigenen Kopf, dann ist man wohl oder übel am Nordpol unseres Planeten. Blinkt er hingegen knapp über dem Nordhorizont, so steht man irgendwo in den Tropen nahe des Erdäquators. Wir Sterngucker schätzen Polaris, weil wir mit seiner Hilfe relativ rasch unsere transportablen Teleskope genau justieren können. Eine Achse der Fernrohrmontierung schaut nämlich genau Richtung Polarstern.

Der Nordstern war nicht immer Polarstern und  wird es auch nicht immer bleiben. Nur in unserer Zeit markiert er in etwa den Himmelspol , denn die Erdachsevollführt eine Kreiselbewegung, die sogenannte Präzession. Der Pol legt in knapp 26 000 Jahren einen Kreis von fast 24 Grad unter den Sternen zurück. In 13 000 Jahren wird Polaris dann etwa 47 Grad vom wahren Himmelsnordpol entfernt sein. Vor 4700 Jahren nahm ein Stern namens Draconis die Funktion als Nordstern ein. Die geringste Distanz wird der Nordstern vom wahren Himmelspol im  Jahre 2102 erreichen. Dann entfernt er sich wieder vom Pol , bis er nach 25 800 Jahren seinen alten Platz eingenommen hat. Nach Angaben der Astronomen wird im Jahre 10 000 der Stern Deneb im Sternbild Schwan die Rolle des Polarsterns übernehmen und im Jahre 14 000 Wega in der Leier.

Die Entfernung von uns zum Polarstern beträgt 430 Lichtjahre. Stünde unser Stern Sonne an der Stelle von Polaris, also in 430 Lichtjahre Distanz, so könnte man sie gar nicht richtig , weil zu schwach leuchten würde. Unser guter alter Polarstern ist 32 mal größer als unsere Sonne! (Durchmesser der Sonne fast 1,4 Mio Kilometer).

Da im Weltall nichts still steht und alle Himmelskörper auch Eigenbewegungen haben, so auch die Sterne, hat man gemessen, das Polaris mit 61 000 Kilometer pro Stunde sich uns nähert.

Gibt es auch einen Südstern?

Wenn der Nordstern der Polarstern ist, was ist dann der „Südstern“? Die Frage ist berechtigt, denn es gibt schließlich zwei Himmelspole, die Erdachse hat zwei Enden.
Es gibt natürlich einen südlichen Polarstern, sehr lichtschwach und mit dem nicht so bekannten Namen „Octantis“. Dieser Stern der auch größer als unsere Sonne ist, spielt bei Beobachtungen des südlichen Sternenhimmels eine genauso wichtige Rolle, wie unser Polarstern auf der Nordhemisphäre.